Von der Nachbarschaftshilfe zur eigenen Firma

Ein inspirierendes Interview mit zwei tüchtigen Hamburger Jungs

Von Judith Isabell Segelke

Begonnen hat alles mit gerade einmal 5 Kunden und dem Wunsch zu helfen. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren wuchs der Junior-Senior Betreuungsdienst zu einem erfolgreichen Dienstleister und hat nun sogar einen zweiten Standort in Berlin! Doch wie kam es zu dieser beeindruckenden Erfolgsgeschichte?

„Die erste Idee, Menschen im professionellen Rahmen zu helfen, entstand im Frühling 2021“, erinnert sich Alessandro Damaschke, Gründer des Junior-Senior Betreuungsdienstes, an die Anfänge ihres Unternehmens zurück. Mit einer vielleicht auch naiven Idee und selbst noch etwas grün hinter den Ohren, hatten die Freunde Alessandro Damaschke und David Domaradzki das Ziel, älteren und allgemein pflegebedürftigen Menschen ein vielfältiges Betreuungsangebot aus einer Hand zu geben: Haushaltshilfe, leichte Gartenarbeiten, Einkaufen und die Begleitung zu Terminen aller Art.

Herr Damaschke hat in seiner eigenen Familie und Nachbarschaft beobachten können, dass es sich als eine große Herausforderung darstellte, Unterstützungsmöglichkeiten über die reine körperliche Pflege hinaus zu erhalten. „Es war bei meinem Großvater ganz schwierig, Dienstleister zu finden, die einfach nur mit ihm spazieren gehen oder ihm eine Begleitung zu Ärzten anbieten.“

Auch David Domaradzki machte bereits Erfahrungen mit den Schwachstellen der häuslichen Pflege. „Es gibt nicht viele Dienstleister, die Unterstützung abseits von körperlicher Pflege anbieten und schon gar nicht in dem familiären Sinne der Nachbarschaft.“ Zudem ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Betreffende, ehe sie den endgültigen Schritt in ein Pflegeheim setzen, bereits früh dafür sorgen können, häusliche Unterstützung zu erhalten. Dies ist eine Möglichkeit, sofern keine Vollpflege benötigt wird, noch ein wenig länger in seinem geliebten Zuhause wohnen bleiben zu können. Domaradzki fährt fort: „Es fängt mit den kleinen Sachen an: Den Haushalt führen, Einkaufen und die Einkäufe die Treppe hochtragen und Kochen sind zum Beispiel die Vorstufe der Vollpflege.“ Da diese Dienstleistungen jedoch von vielen Pflegediensten nicht angeboten werden, haben sich die beiden jungen Unternehmer bewusst dazu entschieden, genau diese Bedarfslücken zu schließen.

Bei einem gemeinsamen Spaziergang um die Alster konkretisierten sie daraufhin ihre mögliche Geschäftsidee. Mit ihrem Wunsch, die Bedarfslücken an alltäglichen Unterstützungsmöglichkeiten zu decken, setzten die beiden Freunde aus Hamburg ihre Vision sofort in die Tat um, gestalteten Flyer und verteilten sie in ihrer Nachbarschaft.

David Domaradzki hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einige Kenntnisse in der Geschäftsgründung und gab somit den notwenigen Antrieb, das Projekt zum Laufen zu bringen. Hierbei stand schon gleich zu Beginn fest, dass sie bei ihrer Arbeit vor allem die zwischenmenschliche Ebene ansprechen möchten. Dafür wollten sie sich mindestens eineinhalb bis zwei Stunden Zeit für jeden Kunden nehmen und auf ihre Bedürfnisse und Wünsche eingehen.

Zuerst bestand ihr Kundenstamm lediglich aus drei bis vier Kunden, die sich über die Unterstützung der jungen Männer sehr freuten. Es waren Bekannte der beiden, denen sie zu Beginn zu zweit halfen: bei der Haushaltshilfe, bei leichten Gartenarbeiten und bei den ganz alltäglichen Herausforderungen des Lebens. Sie mähten Rasen und jäteten Unkraut, putzen Fenster und kümmerten sich um die Einkäufe. Die nahmen alle Tätigkeiten ab, die ihre Kunden selbst nicht mehr schafften. Als die beiden Hamburger bemerkten, dass ihre wertvolle Arbeit dankend angenommen wurde, studierten sie daraufhin den demographischen Hintergrund von allen Stadtteilen Hamburgs und achteten explizit darauf, wo viele hilfsbedürftige Menschen lebten, denen sie ihre Unterstützung anbieten konnten. Ihre großen Ambitionen sollten belohnt werden: Ab Oktober 2021 durften sie mit den Pflegekassen abrechen und gewannen so viele Kunden dazu.

Die beiden jungen Männer studierten gerade, als sie sich dazu entschieden, den Junior-Senior Betreuungsdienst zu gründen. Doch ihr Studium war nicht explizit darauf ausgerichtet, eine eigene Firma zu gründen, so Damaschke, der mit dem Studium der Sozialökonomie dennoch einen guten Ausgangspunkt für sein berufliches Vorhaben wählte. David Domaradzki begann ein Studium der Betriebswirtschaftslehre.

“Zu Beginn unseres Studiums haben wir zu 90 Prozent studiert und 10 Prozent unserer Zeit in die Firma investiert und nun haben sich die Verhältnisse komplett geändert. Nun sind es 90 Prozent Arbeit und 10 Prozent Studium”, stellt Alessandro Damaschke mit einem Lachen fest. “Wie schnell sich die Dinge ändern können, ohne, dass man es erwartet”, fügt Domaradzki nachdenklich hinzu. Doch trotz der vielen Arbeit ist ihre Motivation geblieben: “Hier geht es ja auch um die gesellschaftliche Verantwortung, die wir mit unserer Dienstleistung übernehmen. Und unsere intrinsische Motivation ist es, Menschen zu helfen, die es benötigen. So können wir etwas zurückgeben, wir erreichen etwas und wir erhalten im Gegenzug viel Dankbarkeit zurück. Es ist auch ein Stück Selbstverwirklichung.” Bis heute arbeitet David Domaradzki jeden Samstag bei einem Kunden, der ihm über all die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist.

Die mit Abstand größte Herausforderung, die Damaschke und Domaradzki während des Prozesses begegnete, war die gesamte Bürokratie, die hinter einer Unternehmensgründung steckte, so die beiden jungen Gründer. Doch jeder einzelne Schritt auf dem Weg hin zur eigenen Firma sei ebenso eine Herausforderung gewesen: Den ersten Mitarbeiter einzustellen, die erste Abrechnung mit der Krankenkasse zu tätigen und das erste Büro einzurichten. Doch sie meisterten jede Hürde und lernten immer mehr, lösungsorientiert mit Fehlern umzugehen. Denn je größer ihr Betreuungsdienst mit der Zeit wurde, desto größer wurden ebenso die Herausforderungen, die ihnen begegneten und desto mehr Verantwortung mussten sie schließlich übernehmen.

Doch all die Mühe und ihr ganzer Mut haben sich rentiert: Vor rund 2,5 Jahren fingen sie zu zweit an und nun sind mittlerweile fast 10 Personen in der Verwaltung beschäftigt und rund 70 Alltagsbegleiterinnen und Alltagsbegleiter in Kundeneinsätzen. “Im Januar 2022 hatten wir den ersten großen Sprung, dann den nächsten im Sommer, dann haben wir die 100 Kunden Marke geknackt und zuletzt war der letzte große Meilenstein die Expansion nach Berlin.” Doch das ist noch nicht genug: Alessandro Damaschke und David Domaradzki haben schon die nächste Idee, wie sie ihren Betreuungsdienst weiter ausbauen können. Es sollen nach Berlin und Hamburg weitere Standorte folgen. Als nächsten möchten die beiden Freunde einen Standort in Nordrhein-Westfahlen eröffnen.

Doch was macht nun den großen Erfolg des Hamburger Unternehmens aus? “Der große Erfolg der Firma ist wohl unserer menschlichen und sehr kundenorientierten Arbeitsweise zuzuschreiben, denke ich. Wir versuchen wirklich, auf jeden Kundenwunsch einzugehen und arbeiten mit der größtmöglichen Qualität. Das ist unser Unternehmensgrundsatz”, so Domaradzki. “Ich finde, es sind vor allem die Menschen maßgeblich an unserem großen Erfolg beteiligt, die unsere abstrakte Idee letztendlich in die Praxis umgesetzt haben. Also unsere ganzen Mitarbeiter, die uns dabei unterstützen, dass unser Wunsch, zu helfen, tatsächlich möglich wurde. Erst sie füllen das ganze Unternehmen mit Leben”, fügt Damaschke hinzu. Doch auch konzeptionell heben sie sich von anderen Dienstleistern ihrer Branche ab: “Da wir ein junges und dynamisch-wachsendes Unternehmen sind, haben wir immer freie Kapazitäten für neue Kundinnen und Kunden. Außerdem bedienen wir die ganze Stadt, da die Wohnsitze der Alltagsbegleiterinnen und Alltagsbegleiter ganz Hamburg abdecken. Und selbstverständlich sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausreichend versichert, sodass sie ihren Kunden auch beim Ab- und Aufhängen ihrer Gardinen und bei der Fensterreinigung behilflich sein können.”

Zudem sprechen sie mit ihrem Hilfsangebot jeden an, der in irgendeiner Form (außer körperbezogene Pflege) Unterstützung benötigt: Überwiegend nehmen Seniorinnen und Senioren die Hilfe an, doch ebenso Schwangere, alle Menschen mit Handicap und Eltern, die in der Betreuung ihrer pflegebedürftigen Kinder Entlastung benötigen. Das Angebot des Junior-Senior Betreuungsdienstes richtet sich also an die Betroffenen selbst, aber auch an ihre Angehörigen. Dies eröffnet eine große Reichweite, da die meisten Pflegedienste, die neben der Pflege, ähnliche Dienstleistungen wie die eines Betreuungsdienstes anbieten, über keine weiteren Kapazitäten für Neukunden verfügen. So entsteht eine Marktlücke, die der Junior-Senior Betreuungsdienst bewusst mit ihren Leistungen abdeckt.

“Wir wissen natürlich nicht, was die Zukunft bringt. Die Welt verändert sich täglich, das sehen wir gerade sehr extrem, und niemand kann daher genau sagen, wie sie in 10 oder 20 Jahren aussieht. Aber dem demographischen Wandel nach, ist es sehr wahrscheinlich, dass es immer mehr ältere Menschen geben wird, die auf unsere Hilfe, auf die Hilfe der jüngeren Generation angewiesen sind”, so die jungen Hamburger Unternehmensgründer zum Abschluss. “Und deswegen ist es so unglaublich wichtig, dass es immer Menschen geben wird, denen es wirklich Freude macht, ihre Mitmenschen da zu unterstützen, wo sie selbst eingeschränkt sind. Denn so können wir gemeinsam ein Stück Menschlichkeit in die Welt bringen und das ist doch wirklich etwas sehr Schönes.”